Zoniana und Ortrera
Am Morgen, als sie erwacht, beobachtet sie den noch
schlafenden Jorgos. Sein ruhiger Atem, sein kleiner Bauch, wie er sich hebt und
senkt. Sein grauer Wuschelkopf, sein gebräuntes Gesicht, seine Lachfalten. Wie
sehr sie in liebt, wird ihr in diesem Augenblick bewusst. Wie kann das möglich
sein, innerhalb der paar Wochen, in denen sie sich nähergekommen sind? Zärtlich
streicht sie ihm über das Gesicht und küsst ihn auf die Wange. Vorsichtig, um
ihn nicht zu wecken, schleicht sie aus dem Zimmer, setzt einen Kaffee auf,
reißt die Terrassentüre auf und genießt die Sonnenstrahlen, diese Ruhe, nur
unterbrochen von dem Vogelgezwitscher. Ein Paradies auf Erden! Immer wieder
muss sie feststellen, wie einzigartig schön es hier ist! Unbemerkt umfassen sie
zwei Arme von hinten.
»Glaubst du wirklich, du kannst dich heimlich davonstehlen,
ohne dass ich es bemerke?« Zärtlich küsst er ihren Nacken, dreht sie um, umarmt
sie fest und flüstert: »Guten Morgen, meine Perle!« »Guten Morgen, mein
Liebster! Ich dachte gerade, wie einzigartig schön es bei dir ist!« »Und durch
dich, noch schöner, lieblicher, femininer, bezaubernder!«, antwortet er.
Gemeinsam bereiten sie das Frühstück zu, Maria hat heute ihren freien Tag und
sie besprechen die Vorbereitungen für das heutige Abenteuer. Ein Rucksack wird
mit etwas Proviant für alle vier, Räucherschale samt Räucherwerk und mehreren
Kerzen befüllt. Jorgos legt die vorbereiteten Amulette für jeden von ihnen auf
den Tisch. Jedes sieht anders aus, jedes besteht aus einer Holzscheibe, einer
bestimmten Pflanze und einer Feder. Gestern Abend noch hat er sich von seiner
Seele führen lassen und jedem sein eigenes Amulett gezaubert. Schon sehen sie
Valentin und Juliane kommen, Juliane wohnt bereits bei Valentin, jeder bekommt
sein Amulett umgehängt und dann starten sie in ihr nächstes Abenteuer, die
Höhle Zoniana. Bereits die Fahrt dorthin lässt sie immer wieder staunen. »Diese
Insel, müsste erfunden werden, gäbe es sie nicht bereits!«, denkt sich Greta.
Ungefähr zwei Kilometer von der Höhle entfernt, finden sie einen geeigneten
Platz um Jorgos Jeep zu parken.
Der unwegsame, schmale Pfad, hinunter zur Höhle ist
beschwerlich. Hohes Gestrüpp, sowie Felsbrocken erschweren es den vieren zügig
voranzukommen. Als sie endlich davorstehen, sind sie überwältigt von der Größe,
der Schönheit, der Energie, die sie ausstrahlt! Die ersten Meter ist der Weg
noch gut ausgebaut, doch kurze Zeit später, versperren riesige Felsen den Pfad,
sodass sie darüber klettern müssen. Kurz danach eröffnet sich ihnen ein
großzügiger Raum, der von der oberen Lücke etwas Sonnenlicht einstrahlen lässt.
Überall liegen Gestrüpp und Äste herum, aus denen Jorgos ein kleines Lagerfeuer
zaubert. Er nimmt seine Räucherschale zur Hand, wirft ein paar Kräuter ins
offene Feuer, sofort beginnt der ausströmende, angenehme Duft die Höhle zu befüllen.
Die Freunde sitzen kreisförmig herum, halten sich an den Händen, während Jorgos
seine Gebete spricht, um Einlass und Wohlwollen bittend. Es liegt etwas
Feierliches, Magisches in der Luft. Von dem aufsteigenden Rauch nimmt Greta
Figuren war, die vor ihren Augen zu tanzen beginnen. Sie hört ein Raunen und
Summen und plötzlich nimmt sie eine Stimme wahr.
»Ich begrüße euch, die ihr den Weg in meine Höhle gefunden
habt! Ein wunderbarer, angenehmer Duft, der mich friedlich stimmt. Da habt ihr
noch einmal Glück gehabt, denn wenn es mir nicht angenehm ist, schicke ich den
Menschen, die hierherkommen, schon mal angsteinflößende Bilder, damit sie
gleich wieder verschwinden! Ihr aber scheint in friedlicher Absicht zu kommen,
und somit bin ich euch wohlgesonnen! Ich bin Ortera, Königin der Amazonen, aus
einer Zeit, vor eurer Zeit! Ich bin die Hüterin der Höhle und der gleichnamigen
Bucht nebenan. Wenn ihr Fragen an mich habt, dann dürft ihr sie mir gerne
stellen. Einer nach dem anderen. Ihr braucht euch nicht vorzustellen, wir,
meine Bewohner und ich, kennen eure Namen. Baba Yaga hat euch bereits
angekündigt.«
...Fortsetzung im Buch...
© Andrea Mayr
aus dem Roman: Greta und die feminin-magische Insel